- Kulturpsychologie
- Kul|tur|psy|cho|lo|gie 〈f. 19; unz.〉 Teilgebiet der Psychologie, das sich mit dem psycholog. Hintergrund der Kultur(en) befasst
* * *
Kulturpsychologie,ein heute zwischen (Sozial-)Psychologie, Ethnologie und Kulturphilosophie/Kulturtheorie angesiedelter wissenschaftsbezogener Ansatz, dessen Thema die Erforschung kulturspezifischer Eigenheiten und Prägungen der menschlichen Psyche ist, welche sich in charakteristischen Denkweisen, Verhaltensformen, Sitten und Konventionen, auch im politischen Verhalten und in Konfliktlagen auffinden lassen sollen. - Bereits in den Reiseberichten des 18. und 19. Jahrhunderts (Goethe, Madame de Staël, J. G. A. Forster, A. von Humboldt, H. Fürst von Pückler-Muskau), auch z. B. in I. Kants anthropologische Vorlesungen findet sich eine Vielzahl von Beobachtungen und Überlegungen zu vermeintlich psychischen Eigentümlichkeiten einzelner Völker und Kulturen (Mentalität). Im Zuge der Systematisierung und Methodisierung einzelner Wissenschaften in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und angeregt durch die Kolonialexpansion, entstand um die Jahrhundertwende die Völkerpsychologie (W. Wundt), im Anschluss hieran die Kulturpsychologie (W. Hellpach). Teils im Kontrast zu diesen (bis heute nachwirkenden) eher national ausgerichteten Perspektiven, teils im Widerspruch zu ihnen standen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Untersuchungen S. Freuds zu den kulturellen Bedingungen und Folgen psychischer Entwicklungen, an die - nicht ohne Kritik - nach dem Zweiten Weltkrieg eine kulturvergleichende ethnologische Betrachtung des Wechselbezugs von Kultur und Psyche (Ethnopsychoanalyse, Ethnopsychologie) anschloss (Meyer Fortes, G. Devereux, Mario Erdheim, Paul Parin). Im Rahmen der US-amerikanischen Kultur- und Persönlichkeitsforschung (R. Linton, Margaret Mead) entwickelte sich ein relativierender Ansatz, der zwar von einer Prägbarkeit der seelischen Grundlagen und der Entwicklung von Individuen durch die jeweiligen Kulturen ausgeht, zugleich aber damit die mögliche funktionale Gleichwertigkeit unterschiedlicher psychischer Dispositionen und Kulturmuster und damit auch die Lenkbarkeit individueller und kollektiver Seelenlagen in den Blick bringt. Schließlich spielte auch die am Ende des 19. Jahrhunderts und dann in den 1920er-Jahren entwickelte Massenpsychologie in ihrer zum Teil deutlichen Nähe zur Kulturkritik (L. Klages, G. LeBon, V. Pareto, J. Ortega y Gasset, aber auch Freud und später E. Canetti) und mit ihren Konzepten der »Massenseele« und des »kollektiven Verhaltens« in der Kulturpsychologie eine wichtige Rolle. Aktuelle Ansatzpunkte einer Beschäftigung mit Vorstellungen der Kulturpsychologie finden sich in der Ethnologie, in der politischen Kulturforschung und im Bereich interkultureller Kommunikation, nicht zuletzt im Bereich der Publizistik und in der öffentlichen Diskussion etwa um die Probleme der gesellschaftlichen Transformationsprozesse nach 1990.W. Hellpach: K. (1953);R. Linton: Gesellschaft, Kultur u. Individuum (a. d. Engl., 1974);M. Erdheim: Die gesellschaftl. Produktion von Unbewußtheit (21988);M. Erdheim: Psychoanalyse u. Unbewußtheit in der Kultur (31994);S. Wehowski: Schattengesellschaft. Kriminelle Mentalitäten in Europa (1994);G. Maletzke: Interkulturelle Kommunikation (1996).* * *
Kul|tur|psy|cho|lo|gie, die: Teilgebiet der Psychologie, das sich mit den seelischen Kräften befasst, die der Entwicklung von Kulturen u. Kulturkreisen zugrunde liegen.
Universal-Lexikon. 2012.